„Wie schlecht würde es also um das menschliche Wissen stehn, wenn Schrift und Druck nicht wären! Daher sind die Bibliotheken allein das sichere und bleibende Gedächtnis des menschlichen Geschlechts.“
(Arthur Schopenhauer)
Nach den Bibliotheksbesichtigungen in Ústí nad Labem fahren wir mit dem Bus, der uns die gesamte Reise über begleiten wird. Liberec erreichten wir nach etwa zwei Stunden Fahrzeit. Hier werden wir auch nächtigen.
Liberec ist die größte und wichtigste Stadt in Nordböhmen. Mit 104.000 Einwohnern.
(Fotos privat)
Es gibt in Liberec eine Technische Universität mit einer eigenen Bibliothek sowie eine „Staatliche wissenschaftliche Bibliothek“, die im Jahr 1990 gegründet wurde.
(Fotos privat)
An dem Gebäude grenzt eine Synagoge an. Die im Jahr 1945 von der deutschen Besatzung nieder gebrannt wurde. Dabei gingen 250.000 Bände verloren.
Die Bibliothek wurde am 08.03.2001 eröffnet. In dem Neubau ist ein dreieckiger Grundriss der Synagoge integriert. Er soll an die zerstörte Synagoge erinnern.
(Fotos privat)
Der Eingangsbereich ist barrierefrei und lädt gleich zum Verweilen ein. Denn auf einer Seite gibt es Computerplätze und auf der anderen Seite ein nettes Café. In der Nähe des Cafés gibt es Toiletten und Holzschließfächer.
Begrüßt wurden wir von der Bibliotheksdirektorin und einer Mitarbeiterin, die die Führung für uns auf Deutsch hielt. Nach einem gemeinsamen Gruppenfoto ging es weiter über die Treppe hoch in den vierten Stock.1901 war es die erste deutsche öffentliche Bibliothek.
(Fotos privat)
Die Führung startet in der Mediathek. Sie erklärte uns, dass der Name nicht vollständig passend sei, da sich hier eine Mischung aus Musikzimmer und Gesellschaftsspiele befinden.
(Fotos privat)
In den unteren Etagen befinden sich eine Kinderabteilung, Fremdsprachenabteilung, Belleristik auf einer Seite alphabetisch sortiert und auf der anderen Seite thematisch sortiert. Der Bestand umfasst 280.000 Medien. Weitere 1,5 Millionen stehen im Magazin. Als der Bau begann, wurde mit einem Platz für 50 Jahre gerechnet, aktuell reicht der Platz nur noch für 30 Jahre.
(Fotos privat)
Es gibt für die Bibliotheksbenutzerinnen auf jeder Etage die Möglichkeiten die Medien beim Bibliothekspersonal auszuleihen oder die Selbstverbuchungsstation zu benutzen. 70% der Bibliotheksbenutzerinnen leihen bereits über die Geräte selbstständig aus.
(Fotos privat)
Die Bibliothek Liberec bietet viele Programme für Schulklassen an. Es gibt zwei Projekte in Zusammenarbeit mit Bibliothekarinnen und Kindern für Kinder die Höhr- oder Sehbehinderungen haben, hier werden die Sachen selbst von Kindern eingesprochen und aufgenommen.
(Fotos privat)
Zwischen den Regalen gibt es genügend Sitzplätze, die zum Verweilen einladen. In der Bibliothek finden eine Reihe von Veranstaltungen statt. Immer mittwochs kommt eine Professorin und klärt über Weltliteratur auf. Insgesamt finden 40-50 Veranstaltungen im Monat für die Öffentlichkeit statt. Ein Beispiel wäre der im November stattfindende Ball. Aktuell befindet sich ein Kunstobjekt in der Bibliothek.
(Fotos privat)
Es ist eine sehr schöne Bibliothek, die zum Stöbern und Verweilen einlädt. Man fühlt sich gleich sehr willkommen und wenn man seine Ruhe braucht, kann man einen der Studierräume benutzen oder sucht sich einen der zahlreichen Lesesaalplätzen aus.
Die Bibliothek in Liberec ist ein gutes vorzeige Beispiel, wie die Pflichten einer öffentlichen Bibliothek mit einer wissenschaftlichen Bibliothek zu vereinen sind. Liberec/Reichenberg bewahrt und pflegt die tschechische und deutsche Bibliothekstradition. Sie ist für ihre Region ein bedeutendes Informationszentrum. Zudem erzählt das Haus eine spannende Geschichte, die mit dem „Bau der Versöhnung“ im Jahr 1995 gut umgesetzt wurde.
Um das Eingangszitat aufzugreifen, kann ich nach diesem Besuch in Liberec sagen, es war sehr beeindruckend zu sehen, wie viel für die Bevölkerungen getan wird. Für mich hat sich die Reise schon an dieser Stelle gelohnt. Ich bin dankbar diese Erfahrung gemacht zu haben und dass mir die Möglichkeit geboten wurde, meinen Blick aus der Wissenschaftlichen Bibliothek mit dieser Reise zu erweitern.
Text von Nastasja Wegner