Aktuelles

Endspurt – Teil 1

Endspurt

Hier der vorletzte Blog-Bericht meiner IFLA WLIC Erfahrungen 2023. Morgen kommt der letzte mitsamt einer Rückschau und Bewertung. 

Copyright after the Pandemic: Digitization, AI and other emerging issues

Ich habe leider die Abstracts der ersten Session, Copyright after the Pandemic: Digitization, AI and other emerging issues, vorab nicht genauer gelesen: eigentlich hätte ich mir vom IFLA Advisory Committee on Copyright and Other Legal Matters Ansätze erwartet, wie man rechtliche Probleme löst und bspw. hierfür rechtliche Lobbyarbeit leistet. Die Vorträge sind aber natürlich dennoch interessant:

Controlled digital lending in Canada

Die erste Sprecherin vom Canadian Federation of Library Associations Copyright Committee, Christina de Castell, startet mit dem Statement, dass ohne Controlled digital lending (CDL) Bibliotheken ihre Rolle des Bestandserhalts und -zugangs nicht erfüllen können: CDL basiert auf Interpretationen der Urheberrechtsgrundsätze des fair use, Kanada möchte hier ihren Ansatz dazu teilen, denn insbesondere in der Covid-19 Pandemie bestand ein Bedarf an Literatur auch u.a. des 20. Jahrhunderts in digitaler Form. 

Der anschließende Vortrag behandelt Details von CDL; im Endeffekt entspricht das Konzept stark dem § 60e UrhG bzw. abgeleiteten Maßnahmen in Deutschland. Jedoch werden im Gegensatz zu Deutschland auch zentrale Plattformen genutzt, namentlich HathiTrust und Open Library. In Kanada ist der rechtliche Hintergrund u.a. fair use bzw. Fair Dealing und das Verbot von Technologiediskriminierung. CDL füllt hier eine Lücke, wenn Verlage Bücher nicht digitalisieren können oder wollen.

Abschließend wird darauf eingegangen, wann man CDL nicht nutzen soll. Das wäre selbstverständlich dann der Fall, wenn das Buch Public Domain oder unter einer Creative Commons Lizenz digital zur Verfügung steht.

Copyright challenges for libraries in the digital world: the pandemic and today

Matt Voigts fasst im Anschluss die Ergebnisse von zwei IFLA-Berichten über die urheberrechtlichen Herausforderungen für Bibliotheken während und nach der Pandemie zusammen:

Hier ist interessant, dass 83% der Bibliotheken im Rahmen der Pandemie und ihren Aktivitäten, vieles digital zur Verfügung zu stellen, Schwierigkeiten im Bereich Copyright hatten. Vor allem Textbooks wären benötigt gewesen. Der von einigen Verlage zur Verfügung gestellte freie Zugang zu Zeitschriften half hier natürlich nicht sonderlich. In dem Kontext wird kurz auch noch einmal CDL angesprochen und die Digitalisierung des Printbestands. Später in der Session werden auch Reading Sessions von öffentlichen Bibliotheken und die dortigen Probleme erwähnt, siehe IFLA Statement on Online Storytimes.

Als weitere Urheberrechtsherausforderungen stehen Streaming, AI, zunehmende Datenmonopole und Benachteiligung von Kreativen (siehe bspw. https://chokepointcapitalism.com/ hierzu) im Raum. 

President-elect’s Session: Stronger together

Die Abstracts zur President-elect’s Session: Stronger together habe ich zwar gelesen, bin zumindest vorab aber auch nicht schlauer: verschiedene Direktor*innen und CIOs teilen ihre Erfahrungen aus den UK, Singapur, Afrika und Dänemark, so die Kurzbeschreibung.

Vickie McDonald, die neu gewählte Präsidentin begrüßt zunächst die Runde und erwähnt die Strategy Session (siehe mein Blog Bericht zu dem Tag), in der viele neue Ideen und Beiträge zur Strategie eingesammelt wurden, die künftig berücksichtigt werden sollen. Sie benennt außerdem ihr Presidential theme 2023-2025, “Stronger together”. 

Helena Asamoah-Hassan von der African Library and Information Associations and Institutions hat das Thema Stronger together – working with our sector und betont, dass wir bereits zusammenarbeiten. Es muss jedoch mehr getan werden, angesichts einer sich schnell verändernden Welt. Vor allem langfristige Beziehungen und Trust müssen aufgebaut werden. Und kritisch gefragt werden, ob wir wirklich die verschiedenen Sektoren hören und berücksichtigen. Denn dies motiviert. Und nur so können wir in und beim Netzwerken echte Wertschöpfung erzielen. Über ein menti poll werden verschiedene Fragen abgeklopft, inwieweit das bereits geschieht.

Marie Østergård der Aarhus Public Libraries wählt als Einstiegslied “Wind of Change” und hat das Thema Stronger together – working with our communities. Sie betont, dass starke Gesellschaften Literacy, Culture of participation, Safe places to meet and debate, Facilitators und Local involvement benötigen und all das in Bibliotheken stattfindet. Den Menschen und der Demokratie soll durch Bibliotheken eine Stimme gegeben werden, Building Democratic Self-confidence! Auch learning communities wichtig, als Beispiel werden SDG labs genannt. Es folgt ein menti poll. Es werden – für mich relevant – u.a. Probleme genannt, dass wissenschaftliche Bibliotheken nicht ganz so stark für die Öffentlichkeit da sind (Kursangebot etc.), auch Themen wie Empowerment for building democratic self-confidence nicht sonderlich im Fokus haben und man sich besser mit Stadtbibliotheken und anderen Akteuren in der lokalen Gemeinde vernetzen könnte. 

Nick Poole, CILIP, United Kingdom behandelt das Thema Stronger together – building partnerships with purpose und hat das Einstiegslied, If you tolerate this, your children will be next. Er geht auf aktuelle Probleme ein, den Kollaps von Supermächten und dass die entstehenden Lücken und Unsicherheiten mit Ideologie und Hass gefüllt werden. Bibliotheken sind dabei in einem Battle of Truth und Bibliotheken müssen deshalb zusammenarbeiten, sowohl intern als auch mit unseren Communities und dortigen Partnern. Als Beispiel wird die Green Libraries Partnership erwähnt, siehe auch https://www.librariesconnected.org.uk/

Gene Tan, National Library Board, Singapore geht abschließend auf das Thema Stronger together – working with ‘outsiders’ ein und demonstriert ganz praktisch, wie man charmant auf Fremde zugeht. 

New ways of working with the Sustainable Development Goals

Ich sprinte zur Session New ways of working with the Sustainable Development Goals. Diese, so wird uns versprochen, “will leave you with great new ideas and insights about how new ways of working with the SDGs can transform your practice and improve your impact”.

Anfangs werden wichtige Punkte angesprochen, z.B. nötige Statistiken und das Monitoring der SDGs und dass ein eingeschlagener Weg bzw. eingesetzte Ressourcen zur Erzielung eines SDG nicht andere SDGs negativ beeinflussen bzw. kannibalisieren darf.

Dann stellt Library Aid Africa seine Arbeit vor, z.B. im Bereich Capacity Development, um an SDGs zu arbeiten, Workshops, Library Corners u.v.m. Siehe auch Projekte der Young Africa Library Leaders Fellowship.

Es folgen Einblicke in SDG Aktivitäten in Australien, vgl. Australian libraries support the Sustainable Development Goals, Workshops wie der ALIA Asia-Pacific Sustainable Development Goals Summit oder die SDG Stretch targets baseline reports. Insbesondere letzteres wird als Best Practice empfohlen, um den aktuellen Status in Bezug auf die SDGs fortzuverfolgen.

Es schließt ein Bericht aus Argentinien an, etwa über entwickelte Indikatoren der Biblioteca del Congreso de la Nación Argentina, um den Fortschritt hinsichtlich den SDGs zu messen, und ihre Unterstützung bei der Entwicklung von SDG-bezogenen Policies. Details scheinen hier zu finden zu sein (Google Translate hinzuziehen empfiehlt sich): https://bcn.gob.ar/la-biblioteca/la-biblioteca-y-los-ods.  

Aus Kanada wird ein Video gezeigt. Es werden die SDG Publishers Compact Fellows und dortigen Top Action Tips vorgestellt, u.a. auch, wie Bibliothekar*innen die SDGs unterstützen können. Die anwesende Kollegin von Elsevier ergänzt einige Informationen hierzu, z.B. wie Wissenschaft, Verlage und Bibliotheken Daten zu den SDGs sammeln, etwa zu SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen. Hierzu werden auch Modelle wie das Tasmanian Societal Impact Model (TSIM) Playbook und Herausforderungen bei den Datenerhebungen (z.B. regionale Besonderheiten und Unterschiede) erwähnt. Siehe zudem https://beta.elsevier.com/connect/sustainability.

Open Science

Nach einer kurzen Stärkung mit einem Hot Dog bringe ich mich am Ausstellungsgelände im Expo Pavillon in Position. Die Open Science Session darf ich natürlich nicht verpassen: meine FAU hat, mit großem Engagement von mir und der gesamten Universitätsbibliothek, die erste Open-Science-Policy an einer Universität in Deutschland implementiert. 

FAIR data & software. The library: an unlikely hero

Die Session zieht zunächst ein Resümee über Research Data Management (RDM) an der Utrecht University Library. Die Aktivitäten starteten dort mit einem einzigen library data specialist. Später bildete sich eine offizielle RDM Group aus, mit u.a. einem RDM coordinator, der das Netzwerk innerhalb der Universität ausbaute. Wiederum später auch noch Communications Officer etc. und aktuell umfasst das Team 8 Data Consultants/Managers, 4 Subject Specialists, 1 Policy Advisor, 1 ½ Communications Officer und eine Vielzahl von Faculty Data Managers. Die Bibliothek hat sich zu einem vertrauenswürdigen Partner mit Blick auf FAIRe Daten und Software entwickelt.

Bei der Fragerunde wird gefragt, wie man alle diese Leute gewinnt. Hier wird betont, dass man mit dem Ansatz heranging, dass nicht zwingend umfassende Kenntnisse und langjährige Erfahrungen erwartet werden können, sondern es wichtiger war, dass die Leute gewillt sind, sich einlernen und stetig fortzubilden.

From start-up to mainstream: The next phase for Open Education at the TU Delft

Im zweiten Teil der Session geht es um Open Education an der TU Delft als Teil des dortigen Open Science Programme. Wesentlich war hier das policy and faculty engagement, z.B. bei der Policyentwicklung (siehe dortige Institutional OER Policy), bei fakultätsgeführten Open Educational Resource (OER)-Projekten und Open textbook publishing services

Zudem wurde ein Open Education Stimulation Fund eingeführt und ein Open Education Training. Mit dem oben erwähnten Open Science Programme soll u.a. Open Education auch in die Lehre und den wissenschaftlichen Alltag der Fakultäten integriert werden. Eine Aktivität hierbei war der Pilottest der Einführung eines OE Advisors je Fakultät, der Lücken, Hindernisse, Bedarfe, Chancen etc. identifizieren soll. Hierbei sollen auch Standardpraktiken und Prozesse rund um OE er- und ausgearbeitet sowie über die gesamte(n) Fakultät(en) gestreut werden.

Künftig soll der OE Advisor eine formelle Rolle werden, der Pilottest auf andere Fakultäten ausgeweitet werden und es sollen Open Science Faculty Teams implementiert werden. Zudem sollen die technischen Infrastrukturen und Publikationsservices für OER Literatur ausgebaut werden und weitere Mittel für OE Initiativen eingeworben werden. 

Mit Blick auf die Publikationsservices existiert zudem bereits jetzt ein Copyrightservice, der Forschende bei der OER Erstellung und rechtlichen Fallhürden hierbei unterstützt. 

Closing ceremony

Nun steht die letzte Rede der scheidenden Präsidentin in der Closing ceremony an. Sie geht auf ihr ursprüngliches presidential theme “Libraries building a sustainable future” ein und dass dazu teils auch schwierige Entscheidungen nötig sind. Sie beschreibt, dass IFLA für viele etwas anderes bedeutet bzw. darstellt. Manche verstehen unter IFLA die WLIC Konferenzerfahrungen. Wobei hier leider nie alle kommen können. 

Aus anderer Sicht ist IFLA schlicht ein Netzwerk und ein Dachverband für Bibliotheken. Wiederum aus anderer Sicht bedeutet IFLA unsere Forschung, die erarbeiteten Materialien, Workflows und Best Practices. Wiederum für andere unsere Werte, Ideale als “Vorbild”, wie man seine eigene Gesellschaft und Bibliothek voranbringt. Wiederum für andere ein effektiver und verlässlicher Partner. 

Die verschiedenen Ansprüche erschweren es, es allen recht zu machen. Gleichzeitig ist IFLA so aber auch eine diverse, dynamische und auf vielerlei Hinsicht bereichernde Organisation. 

Anschließend geht sie auf die WLIC ein, die Möglichkeiten, sich fortzubilden, den Horizont zu erweitern und Freundschaften zu knüpfen. Sie verteidigt noch einmal die Entscheidung für Dubai, um sich als internationaler, globaler Verband zu präsentieren und resilient für die Werte von Bibliotheken einzustehen.

Sie bedankt sich bei allen IFLA Units, der Führungsriege und bei allen, die auf der WLIC gesprochen und mitgearbeitet haben, insbesondere die 264 Volunteers.

Nach der Rede der scheidenden Präsidentin folgen diverse weitere Programmpunkte, so werden alle Award-Gewinner vorgestellt, wie die IFLA Dynamic Unit and Impact Awards oder die IFLA Poster Awards, und zu ehrende Personen beim Scroll of Appreciations sowie der Vergabe der IFLA Medal und IFLA Honorary Fellow. Auch den Personen, die das Governing Board verlassen wird gedankt.

Danach wird das neue Governing Board vorgestellt. Es folgen der #WLICWOW Moment und die Gewinner der Carbon Footprint Challenge.

Als Locationpräsentation der WLIC 2024 werden zum Ort Dubai Werbevideos gezeigt, während eine Reihe von Bibliothekar*innen im Raum im Takt der Videomusik die Regenbogenfahnen als Protest schwenken. Entschuldigt in dem Kontext meine vor allem in dunklen Räumen schlechte Smartphonekamera:

Aktivisten

In abschließenden Reden und Videos werden die Highlights der IFLA WLIC 2023 gefeiert.

Als finaler Programmpunkt erfolgt eine offizielle Übergabe von der scheidenden Präsidentin zur neuen. Auch diese trägt Dankesreden vor und geht auf nächste Schritte wie die Strategie ein. So soll die Kommunikation transparenter und besser werden und die Finanzierung verstetigt werden. Sie erwähnt u.a. den neuen Code of Ethics für das Governing Board.

Auch die Stärken von IFLA werden hervorgehoben, die starke Stimme von IFLA, das Netzwerk, die Partner und der umfangreiche track record of professional achievements.

Sie bittet um die kollektive Unterstützung und Beratung aller. Der WLIC 2023 wird geschlossen.

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