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Studienreise: Besuch in 9 niederländische Bibliotheken hier miterlebbar

Marion Überschaer, Leiterin der Stadtbibliothek der Stadt Göttingen, nahm an der Studienreise vom 25. bis 28. Oktober 2022 teil. Wir haben ihre Beiträge hier nochmal gesammelt und verlinkt damit man auch in Zukunft noch aus ihrer Perspektive 9 niederländische Bibliotheken besuchen kann.

Die Studienreise in die Niederlande fand vom 25. bis 28. Oktober 2022 statt und wurde von BII organisiert. Die Bilder im Karousell sind aus den originalen Beiträgen entnommen und mit ihnen verlinkt. Alle Bilder sind ebenfalls von Frau Überschaer aufgenommen worden.

Auf der Facebook-Seite der Stadtbibliothek Göttingen unter https://www.facebook.com/stabigoe kann man nun, durch meine Augen gesehen, erneut die 9 tollen Bibliotheken besuchen. Die nächsten Tage über erscheint immer um 11.11 Uhr ein neuer Beitrag, bis einschließlich 17.11., dann ziehe ich mein Fazit. Veel plezier!

Beitrag vom 8. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Hoi, hoe gaat het met jullie? In den nächsten Tagen berichte ich euch täglich von meiner Studienreise in die Niederlande. In 4 Tagen habe ich, gemeinsam mit 20 weiteren, deutschsprachigen Bibliothekar*innen und Marc de Lange, directeur der ekz benelux, als Reiseleiter 9 Bibliotheken besucht, die aus unterschiedlichen Gründen starke Eindrücke hinterlassen haben. Diese 9 bibliotheeken stelle ich euch einzeln in den nächsten Tagen vor, mit vielen Fotos und beeindruckenden Beispielen und einem Fazit. Ein bisschen Nederlands und English (da wir meist auf Englisch geführt wurden) könnt ihr nebenbei auch lernen.

Heute beginne ich mit ein paar Impressionen aus der Rozet in Arnhem. Es führt uns der Architekt Rob Bruijnzeels aus dem Ministerie van Verbeelding, seinem Phantasie-Ministerium. Die Bibliothek ist dort nur ein Teil des großen, imposanten Gebäudes, das auch ein Museum, ein Restaurant und andere Einrichtungen beherbergt. Hier gibt es intelligente Bibliotheksmöbel, die wissen, wo sich ein Medium befindet, dies aus dem RFID-Chip auslesen und die Standortanzeige im Katalog automatisch anpassen. So ist es überhaupt kein Problem, wenn Medien im Haus „wandern“. Das Bibliotheksteam muss sie deswegen nicht auf „vermisst“ setzen. Bruijnzeels sagt: „Jede*r ist Bibliothekar*in.“ Die Kernaufgaben einer Bibliothek für ihn sind Inspiration, Schöpfung und Beteiligung. Die zu erfüllen dürfte in der Rozet heel goed geglückt sein.

Beitrag vom 9. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

„Jetzt gehen wir beichten“, sagt unser Reiseleiter Marc de Lange und ich weiß erst nicht, was er meint: Bezieht er sich auf unser ausgiebiges, gemeinsames Essen am Abend zuvor? Er führt uns in eine ehemalige Kirche. Die ehemalige St.-Petrus-Kirche in Vught wurde höchst beeindruckend zu einem Third Place umgebaut: die Galerie wurde verbreitert und geschwungen, die ehemaligen Beichtstühle sind nun Einzelarbeitsplätze und die Lampen erinnern an Heiligenscheine. So viele mooie Bibliotheken habe ich auf meiner bibliothekarischen Studienreise in die Niederlande gesehen, doch diese bleibt mir aufgrund ihres architektonischen „Wow“-Effekts besonders im Gedächtnis. Ich behaupte, dass es sich um meine neue Lieblingsbibliothek handelt – außer der Stadtbibliothek Göttingen natuurlijk.

Beitrag vom 10. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

In Tilburg besuchen wir eine ehemalige Produktionsstätte für Lokomotiven, die als LocHal nun auch die Bibliothek beherbergt. Die LocHal gliedert sich in viele verschiedene Räume mit Namen wie Kennismakerij (Wissensgewinn) oder Stemmingmakerij (Stimmungsmacherei), die man auch kommerziell mieten kann bzw. die sich mit riesigen Vorhängen abtrennen lassen. Die Räume sind für alle offen, wenn es darin keine Veranstaltung gibt. Das riesige Gebäude hat 1147 Steckdosen, die dennoch nicht ausreichen. Sicherungsgates für die Medien gibt es als bewusste Entscheidung, open zu sein, nicht mehr. Aus ausgesonderten Medien macht man nachhaltige Kunst, z. B. Präsentationstische und Schallisolierung an der Decke. Mir gefallen vor allem die hohen Räume im Zentrum des Gebäudes sowie die vielen Eisenträger, die an die frühere industrielle Nutzung erinnern und teilweise steampunkmäßig anmuten.

Beitrag vom 11. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Der Name verrät, dass uns in Gouda neben dem bekannten kaas eine ehemalige Schokoladenfabrik erwartet, die auf den ersten Blick nicht mehr als solche zu erkennen ist. Auf den Böden werden jedoch die früheren Produktionsbereiche kenntlich gemacht: hier wurde Material angeliefert (nun der Bereich für Ausleihen und net terug, gerade zurückgegebene Medien), dort wurden Weihnachtsmänner hergestellt. Die Chocoladefabriek resultiert aus der Zusammenlegung von Einrichtungen und startete mit einer Einsparvorgabe. So hat man sich bewusst für preiswerte und robuste Lagerregale statt schicker Designobjekte entschieden. Die Metapher der Fabrik zieht sich durch alles, auch durch die einzelnen Werkstätten, die die Bibliothek anbietet, und auch das hübsche Café macht uns den Aufenthalt schmackhaft. Heel lekker!

Beitrag vom 12. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Die einzige wissenschaftliche Bibliothek, die wir auf unserer Reise besuchen, gehört zur Erasmus-Universität Rotterdams. Es den Studierenden gezellig (gemütlich) zu machen, ist dem Team der Bibliothek ein Herzensanliegen. Normalerweise können Massagesessel genutzt werden, doch während der Pandemie wanderten sie in den internen Bereich, wo wir uns an ihnen erfreuen. Im öffentlichen Bereich der Bibliothek stehen 926 Arbeitsplätze mit jeweils 2 Steckdosen bereit. Für eine Einzelkabine, einen Gruppenraum oder einen Tisch im Großraum loggt man sich mit einem wöchentlichen Kontingent von 50 Nutzungsstunden ein und aus. Wenn beim binge studying der Hunger kommt, darf man sich eine Pizza bestellen. Für die Kartons gibt es extra Mülleimer. Geruch und Fettflecken? „Unsere Nutzer*innen sind alle erwachsen und machen das unter sich aus.“ Für deutsche Bibliothekar*innen mutet das mutig an…

Beitrag vom 13. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Das OPEN, de openbaare bibliotheek (öffentliche Bibliothek) gehört zum DOK Delft und wurde vom berühmten Bibliotheksarchitekten Aat Vos gestaltet. Das Gebäude war einmal ein Supermarkt, was man nicht mehr erkennt. Nun wirken die verschachtelten Räume eher wie ein buntes Spieleparadies. Alles ist bunt und viele alte Möbel, in Antiquitätenläden, Trödelmärkten und second hand zusammengesucht, springen ins Auge, dazu ein Leitsystem aus Wegweisern und Infomonitoren. Die jüngsten Leser*innen haben die Kategorien ihrer Kinderbibliothek selbst erstellt. Verschiedene Nutzungen arrangieren sich auf gemeinsamem Raum. Künstler*innen laufen auf dem Weg zu ihren Ateliers durch die Bibliothek. Dabei wird es auch schon einmal richtig laut, z. B. wenn auf der großen Treppe, die wie in vielen anderen niederländischen Bibliotheken auch als Theater genutzt werden kann, eine Veranstaltung stattfindet. Für mich weniger ein Raum zum kontemplativen Studium, sondern der sensory overload macht mich moe (müde).

Beitrag vom 14. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Am 07.07.07 wurde dieser auf 100 Jahre Nutzung ausgelegte Neubau eröffnet. 28.000 Quadratmeter verteilen sich auf mehrere Etagen; Rolltreppen und weiße Regale erinnern ein wenig an een groot warenhuis (ein großes Kaufhaus). Wir werden im großen Kinosaal begrüßt und durch die verschiedenen Bereiche des Gebäudes geführt, u. a. auch die ausgiebigen Magazinräume. Die Bibliothek versteht sich als interkulturell: Im huis van alle talen (Haus für alle Sprachen) soll Literatur in jeder Sprache der Welt vertreten sein. Die Bibliothek hilft den Bürger*innen Amsterdams bei der Nutzung von E-Government oder dem Lernen der nederlandse taal. Es gibt jedoch nur eine Information im Erdgeschoss. Bei Bedarf werden Experten herbeigeholt.

Beitrag vom 15. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Das ehemalige Kaufmannsgebäude aus dem Jahr 1792 dient erst seit 2015 als Bibliothek. Sein schönes Glasdach über den ehemaligen Innenhof gilt als das erste Glasdach der Niederlande. Lange wurde das Gebäude in Zusammenhang mit der Produktion von genever genutzt (im 18. Jahrhundert gab es 350 Schnapsbrennereien in der Stadt), doch anstelle eines Gins erhalten wir zur Begrüßung Kaffee. Es lief ein Projekt, das Gebäude mit Lego nachzubauen. Dafür brachten alle, die mitmachen wollten, ihr eigenes Lego mit. Die Bibliothek versteht sich als bibliotheek niet voor maar van iedereen (nicht für alle, sondern von allen). 300 Freiwillige kümmern sich neben 25 festen Stellen um die Bibliothek, auch in ihren Zweigstellen, und sorgen für die Sonntagsöffnung. Taalmaatjes (Sprachkumpel) helfen beim Erlernen der niederländischen Sprache. In dem geräumigen und grünen Genever-Gebäude hält man sich auch nüchtern gerne auf und fühlt sich van harte welkom!

Beitrag vom 16. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.

Auf einem zentralen Platz Utrechts namens Neude stand früher die große, alte Hauptpost im expressionistischen Stil der Amsterdamer Schule. Der riesige, imposante Eingangsbereich, in dem die bekanntesten Gebäude Utrechts gerade mit Pappe nachgebaut werden, lässt einem den Mund offen stehen. Auch hier wieder (wie in Vught) große, runde Lampen im look von Heiligenscheinen. Weiter oben im Gebäude, in den ehemaligen internen Bereichen, ist es verwinkelter. Anklänge an die frühere Nutzung gibt es an verschiedenen Stellen, z. B. können Kinder an einem nachgebauten Postschalter spielen und es gibt eine Wand mit alten Telefonen. Das Personal huscht als wandelnde informatie durchs große Haus und ist an uniformartigen Poloshirts erkennbar.

Beitrag vom 17. November auf Facebook, unter dem Link hier auch mit allen zugehörigen Bildern.
 
Die letzten Tage über seid ihr mit mir durch mehrere niederländische Bibliotheken gereist. Welche hat euch am meisten gefallen und warum? Was wünscht ihr euch für eure Bibliothek?
Die Einblicke in niederländische Bibliotheken waren sehr inspirierend. Bibliothek wird in den Niederlanden ganz anders gedacht als in Deutschland. Das Medienangebot in den Niederlanden tritt zurück gegenüber den Angeboten an Begegnung, die soziokulturelle Zentren, als die auch Bibliotheken zu sehen sind, schaffen. Durch Kooperationen mit anderen Einrichtungen, Öffnung nach außen und Partizipation ihrer Bürger*innen schaffen niederländische Bibliotheken die Möglichkeit, sich mit Inhalten und Personen auseinander zu setzen, die man nicht gezielt (auf)gesucht hat. Im Sinne von serendipity (glücklicher Zufall) fördern sie die Kreativität. Sie orientieren sich sehr stark an ihren jeweiligen Kommunen und deren Bedürfnissen.
Gefahr laufen niederländische Bibliotheken, wenn sie zum so populären, lauten, überfüllten Aufenthaltsort werden, dass die Medien in den Hintergrund treten, zur „Tapete“ werden und das konzentrierte Lesen oder Arbeiten verunmöglicht wird. Das vielseitige und teilweise kommerzielle Angebot könnte dazu führen, dass Bücher irgendwann ganz entbehrlich werden und die Räume nur noch als maker spaces, co-working spaces, Ausstellungs- und Aufführungsflächen und Cafés genutzt werden. Sind es dann überhaupt noch Bibliotheken?
Niederlande oder Niedersachsen, wenn ich die Wahl hätte? Niedersachsen, aber es gibt Vieles, das ich gerne aus den Niederlanden übernehmen würde, vor allem wie offen man mit den Augen der Nutzer*innen sieht und sich an ihren Bedürfnissen orientiert. Mal schauen, wohin die Reise bei uns geht in den nächsten Jahren. Tot later! 💁‍♀️
Heel hartelijk bedankt bei Marc de Lange von der ekz benelux für die tolle Reisebegleitung, Hella Klauser vom Kompetenznetzwerk für Bibliotheken für die Organisation und Kommunikation im Vorfeld, Bibliothek & Information International und Goethe-Institut für die finanzielle Förderung. 🙏💐

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