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IFLA WLIC 2023 – Laten we gaan! (Los geht’s!)

Schon gestern konnte man abends in Rotterdam zahlreiche Menschen mit verdächtigen Umhängeschildern durch die Restaurants und Bars  tingeln sehen. Für die Eingeweihten war auf den ersten Blick klar: Es sind die Bibliothekar:innen, die zum IFLA WLIC nach Rotterdam gereist sind und schon stolz ihre Namensschilder um den Hals tragen. Viele haben bereits gestern an Treffen ihrer jeweiligen Länger teilgenommen – der offizielle Konferenzbeginn allerdings stand heute an.

Nach einem lautstarken Auftakt mit tiefbassigen Beats, (mehr oder weniger) rhythmischem Fußstampfen, Standing Ovations und der Erkenntnis, dass ohne Bibliotheken das Leben eigentlich auch keinen Sinn macht (frei nach Erasmus von Rotterdam), standen die ersten inhaltlichen Sessions an. Das Angebot war vielfältig und man stand vor schwierigen Entscheidungen, die für alle begeisterten Bibliothekar:innen wirklich nicht leicht zu treffen sind: Lieber Vorträge zum Zukunftsthema „Responsible AI“ oder zu zentralen Kompetenzen, die für die Bibliotheksarbeit wichtig sind? Möchte man ausführlich über die Funktion von IFLA im Kontext von Open Access Bewegungen hören oder über Bibliotheken als Plattformen für Demokratie diskutieren? Spannend wären sicherlich alle Panels gewesen, leider aber kann man selbst als Bibliothekar:in seine Augen und Ohren nicht überall haben.

Entschieden habe ich mich am Ende für einen Querschnitt zum Thema Diversität: Es ist immer spannend, zu hören, wie Diskriminierungsformen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten verhandelt und welche Umgangsweisen in Bibliotheken dazu entwickelt werden. Deutschland hat hier meinen Eindruck nach noch einigen Nachhol- und Sensibilisierungbedarf – sein Bewusstsein in diese Richtung zu schärfen, kann für eine Bibliothek(arin) also nur gewinnbringend  sein. Unter dem Titel „Toxic librarianship and leadership“ haben Kolleg:innen unter anderem autoethnographische Studien zum ‚misnaming‘ von kulturell nicht dominanten Namenskonventionen, microaggression und den toxischen Akzeptanz-Problemen, denen Angehörige von Minderheiten auch in Führungspositionen ausgesetzt sind, berichtet. Die anschließenden Diskussionen in Kleingruppen haben dieses vielfältige Bild noch weiter differenziert und gezeigt: Problematische Strukturen lauern an vielen Stellen im internationalen Bibliothekswesen und wir haben noch viel zu tun, um nicht nur gesellschaftlich inklusiv zu wirken, sondern das auch selbst in einem umfassenden Sinne zu sein.

Diese Schlussfolgerung könnte man auch unter das Nachmittagspanel, das ich besucht habe, setzen. Bei den Vorträgen zu „Identifiers for Identities: Rectifying the (Mis-)Representation of Demographic Groups“ konnte man einen Einblick gewinnen in eine diversitätsorientierte Weiterentwicklung bibliothekarischer Verschlagwortung. Interessant war bei den Vorträgen, die von Deutschland über Schweden bis nach Canada und in die USA reichten, dass in vielen Fällen ein gemeinsames Problem identifiziert wurde: Zwar kann man eine höhere Repräsentation unterschiedlicher demographischer Gruppen erreichen – dies ändert jedoch nichts daran, dass das zugrundeliegende Datensystem oft in seiner Struktur bereits problematisch ist und grundsätzlich überdacht werden muss, anstatt an der ein oder anderen Stelle zu flicken. Auch hier liegt noch ein weiter Weg und einiges an Arbeit vor uns – aber erfreulicherweise sind Bibliothekar:innen ja eine zähe Zunft.

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