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WLIC2022: Metadaten, Standards und IFLA-Richtlinien

WLIC2022: Blick aus dem Kongresszentrum in Dublin

Gemeinsam mit Renate Behrens von der Deutschen Nationalbibliothek verfasste ich einen Bericht zur Information über die Arbeitsgruppe Audiovisuelle Ressourcen beim Standardisierungsausschuss für die deutschsprachigen Länder D-A-CH für die Juni-Ausgabe des IFLA Metadata Newsletter. Der IFLA Metadata Newsletter erscheint zweimal jährlich, informiert über aktuelle weltweite Entwicklungen im Bereich Metadaten in Bibliotheken und wird von drei IFLA-Sektionen – Cataloguing, Classification & Indexing sowie Bibliography – gemeinsam herausgegeben.

2022 sind u.a. folgende IFLA-Richtlinien und Dokumente neu bzw. in aktualisierter Fassung erschienen:

Die Session 144: International Standards for a Digital World diskutierte Standards und ihre Rolle in den Informationsberufen und Informationsinfrastrukturen: Die digitale Informationsumgebung sei dynamisch und vernetzt. Fachgebietsübergreifende Nutzergemeinschaften entwickelten neue und laufend aktualisierte Standards, die so international, einfach zu bedienen, nachhaltig und aktuell wie möglich seien. Einige Beiträge möchte ich hervorheben:

Pat Riva (Concordia University, Kanada), gab gemeinsam mit Maja Žumer (University of Ljubljana, Slowenien) und Trond Aalberg (Oslo Metropolitan University, Norwegen) in dem Beitrag LRMoo, A High-level Model in an Object-oriented Framework Einblick in die laufende Arbeit an dem objektorientierten Bibliotheks-Referenz-Modell LRMoo, das gegenwärtig von der IFLA-LRMoo-Arbeitsgruppe gemeinsam mit der CIDOC- CRM-Interessensgruppe erarbeitet wird. Die Entwurfsfassung wurde auf der Session 120 Bibliographic Conceptual Models Review Group ausführlich vorgestellt; Pat Riva hatte im Vorfeld über die Liste der Sektion Katalogisierung den Link auf das Entwurfsdokument geschickt: LRMOO (formerly FRBROO) object-oriented definition and mapping from IFLA LRM. Prepared by the IFLA LRMOO Working Group with the CIDOC CRM Special Interest Group. Draft Version 0.9. July 2022.

Abbildung 2: WLIC2022. Session 120 Bibliographic Conceptual Models Review Group. Marcia Lei Zeng: Semantic Shift in Heallth KOS. Foto: Anna Bohn, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

Marcia Lei Zeng von der School of Information, Kent State University, USA, präsentierte den semantischen Umbruch in Wissensorganisationssystemen im Gesundheitsbereich (Health KOS) auf einem höchst aktuellen Gebiet, nämlich der Internationalen Klassifizierung von Krankheiten. Die Internationale Klassifizierung von Krankheiten ICD (International Classification of Diseases) begegnet uns im Alltagsleben z.B. in Form eines Codes für eine vom Arzt bescheinigte Krankheit auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Krankenkasse.

Gemäß Zeng sei die aktuelle ICD-11 eine Klassifizierung und Terminologie, die erlaube, Daten zu Sterblichkeit und Krankheit, die in verschiedenen Ländern und Regionen und zu verschiedenen Zeiten erhoben würden, systematisch zu erfassen, zu analysieren, zu interpretieren und zu vergleichen. ICD stelle semantische Interoperabilität und Nachnutzerbarkeit der erhobenen Daten sicher, und zwar für unterschiedliche Anwendungsbereiche, weit über Gesundheitsstatistiken hinaus, z.B. für Entscheidungsfindungen, Mittelvergaben, Kostenerstattungen, Richtlinien etc.

Zeng skizzierte kurz die Entwicklung der ICD-Revisionen von 1900 bis heute; seit 1948 werde die ICD von der Weltgesundheitsorganisation verwaltet. Zeng zeigte am Beispiel der Covid-19-Pandemie, dass ein sehr schnelles Reagieren auf neue Krankheitsphänomene in den Wissensorganisationssystemen im Bereich Gesundheit notwendig sei: Am 30. Januar 2020 habe die WHO den Ausbruch der 2019 erstmals aufgetretenen Coronavirus-Krankheit zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite erklärt. Bereits einen Tag später, am 31. Januar 2020 habe der beratende Ausschuss für Klassifikation und Statistik (CSAC) des Netzwerks der WHO Familiy of International Classifications (WHO-FIC) eine Dringlichkeitssitzung einberufen, um die Schaffung eines spezifischen Codes für eine neue Art von Coronavirus zu erörtern. Eine Herausforderung stelle die unterschiedliche Benennung von Krankheiten dar. Am 11. Februar 2020 habe die WHO den Namen der Krankheit mit „COVID-19“ – ein Akronym für „Coronavirus Krankheit 2019“ – öffentlich bekanntgegeben und die ICD-10 mit zwei Notfall-Codes aktualisiert: U07.1 COVID-19 und U07.2 Covid-19. Im Mai 2021 habe die WHO dann Benennungen für Schlüsselvarianten des Virus eingeführt (Alpha, Beta, Gamma, Delta). Der Code für COVID-19 sei am 13. Februar 2020 in den Medical Subject Headings (MeSH) als COVID-19 MeSH Supplementary Concept Data 2020 aufgenommen worden.

Die aktuelle ICD-11 liege komplett digital vor und enthalte rund 17.000 eindeutige Codes und mehr als 120.000 codierbare Begriffe. Der intelligente Codierungsalgorithmus von ICD-11 könne mehr als 1.6 Millionen Begriffe interpretieren. Das Klassifizierungssystem ICD-11 sei in Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch und Spanisch verfügbar. Russisch und weitere 20 Sprachen seien laut Information der WHO in Arbeit.

Besondere Herausforderungen berge laut Zeng die Gewährleistung semantischer Interoperabilität. Bei ICD-11 seien als neuer Ansatz „Foundation URI’s“ vergeben worden. Das Rahmenwerk von ICD-11 weise mehrere Komponenten auf: (1) eine semantische Wissensdatenbank (semantic knowledge base), die mit dem Begriff „Foundation“ bezeichnet werde; (2) Eine biomedizinische Ontologie, die mit der Foundation verknüpft sei und (3) Klassifkationen, die von der Foundation abgeleitet würden.

Dr. Gaelle Bequet, Direktorin des ISSN International Centre in Paris, Frankreich, stellte in ihrem Beitrag zur Internationalen Organisation für Standardisierung ISO unter dem Schlagwort „Bankett der Standards“ folgende Frage: „Was passiert, wenn sich IFLA und ISO an einen Tisch begeben?“.[1] Nach einem kurzen Abriss der Beziehungen zwischen ISO und IFLA seit 1947 erläuterte Bequet, wie ein ISO-Standard erstellt werde, d.h. wie der Prozess der Standardisierung bei ISO verlaufe. Sie zeigte am Beispiel der Arbeit des Technischen Komitees ISO/TC 46 Information und Dokumentation den Prozess der Erarbeitung eines Standards in mehreren Phasen: vom ersten Schritt, der (1) Vorschlagsphase über die (2) Vorbereitungsphase, (3) Anfragephase, (4) Prüfphase, (5) Genehmigungsphase bis hin zum letzten Schritt der (6) Publikation. Sie skizzierte abschließend Perspektiven, wie IFLA und ISO ihre Kooperation planen könnten. Bereits jetzt existiert ein Austausch in Form einer Liaison zwischen der IFLA Cataloguing Section und dem ISO Technischen Komitee 46 Information und Dokumentation.

[1] Béquet, Gaëlle: Standards Banquet: What happens when IFLA and ISO come to the same table? 28-Jul-2022. https://repository.ifla.org/handle/123456789/2044

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